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Objekt des Monats Juli 2021

Objekt des Monats Juli 2021

Eine Silberfiligrankassette mit einer Darstellung des Gottes Ganesha

Wer sich auf eine Reise begibt, der- oder diejenige erhofft sich vor allem Erholung, unvergessliche Erlebnisse oder auch kulinarische Köstlichkeiten. Viele nutzen die derzeit geltenden Lockerungen nach den strengeren Bestimmungen während der Covid-19 Pandemie, um im Sommer zu verreisen. Egal ob ins eigene Land oder in weiter entfernte Destinationen, man hofft immer, dass im Urlaub nichts schief geht. Verlorenes Gepäck, Autopannen oder schlechtes Wetter können einem die Urlaubsstimmung trüben. Eine Reiseversicherung hilft gegen viele der genannten Probleme. Doch zusätzlich vertrauen sich manche in solchen Situationen – wenn auch still und heimlich – dem Schutz übernatürlichen Kräften an. Im katholischen Glauben wäre dafür der Heilige Christopherus zuständig, der als Schutzpatron der Reisenden gilt. Doch auch im weit entfernten Indien kennt man bereits seit langer Zeit eine Gottheit, die man vor Antritt einer Reise um Hilfe bittet: Ganesha, der „Beseitiger aller Hindernisse“.

In diesem Artikel werden nicht nur das herausragende Exponat vorgestellt, auf dem die BesucherInnen den Gott Ganesha im Museum entdecken können. Dieser wird auch in seiner Gestalt, seinen Mythen und seinem Aufgabenbereich vorgestellt, denn letzterer beinhaltet mehr als den Schutz von Reisenden.

Abb. 1: Kassette aus Silberfiligran mit Verzierungen aus Jade, Koralle und Türkise

Das Objekt

Inv.-Nr. 7684, Maße: 22 x 15 x 11 cm

In der Schell Collection trifft man Ganesha auf einer prunkvollen Kassette aus Patan in Nepal, die in der Silberfiligran-Technik gearbeitet und mit Goldlack überzogen ist. Allerdings muss man ganz genau hinschauen, um den Elefantengott zu entdecken. Ganesha in Miniaturgröße thront am Deckel der Kassette auf einer Kuppel aus Jade. Die Darstellung des Gottes selbst ist aus roter Koralle angefertigt und zeigt Ganesha in sitzender Haltung, deutlich zu erkennen an dem Elefantenrüssel, den vier Armen und dem runden Bauch. Links und rechts neben der Jadekuppel sieht man je einen Cheppu, mythische Wächter, die aus Türkisen mit Augen aus Lapislazuli gefertigt sind. Zwei weitere Cheppus befinden sich an der Vorder- und Rückseite der Kassette. Alle vier Seiten schmücken Korallen und Türkise in ovaler Form. Die vier Beine des Exponats sind elegant geschwungen und ebenfalls aus Silberfiligran hergestellt.

Abb. 2: Details am Deckel

Sowohl die Gestalt der Wächterfigur „Cheppu“ als auch nepalesische Silberfiligranarbeiten wurden bereits im Zuge des Objekts des Monats August 2018 vorgestellt. Informationen zu europäischen Objekten aus Silberfiligran können im Artikel des Monats Juni 2019 nachgelesen werden.

Die Kassette besitzt kein Schloss, sondern man klappt den Deckel einfach auf. Das Innenleben des Objekts ist im Gegensatz zu seinem Äußeren schlicht. Nur die Deckelinnenseite ist mit einem der acht Glückssymbole verziert, nämlich dem Rad der Lehre. Auch hier soll auf ein bereits vorgestelltes Objekt des Monats (Februar 2020) verwiesen werden, in dem detailliert auf die Symbolik des Rades der Lehre eingegangen wurde.

Die Kassette kann seit 2013 im 3. Stock der Schell Collection bewundert werden. Doch aufgrund ihrer Ikonographie und ihrem prunkvollen Aussehen ist es das Objekt allemal wert diesen Monat in den Fokus gerückt zu werden. Vor allem der Gott Ganesha, aber auch das Material aus dem er auf der Kassette angefertigt ist – rote Koralle – werden vorgestellt.

Abb. 3: Detail Deckelinnenseite „Rad der Lehre“

Der Gott Ganesha – „Beseitiger aller Hindernisse“

Als hinduistische Gottheit ist Ganesha vor allem in Indien verbreitet, aber wie man an der nepalesischen Kassette sehen kann, geht seine Verehrung über die Grenzen des Landes hinaus. Der Gott mit dem Elefantenkopf und dem dicken Bauch erfreut sich in der Bevölkerung großer Beliebtheit – verständlich, wenn man sich die Lebensbereiche genauer ansieht, für die Ganesha zuständig ist. Wenn man eine Reise antreten möchte oder aber plant ein neues Geschäft zu eröffnen, so ist es ratsam Ganesha viele Opfergaben zu bringen. Als „Beseitiger aller Hindernisse“ kann nur dieser Gott für einen guten Anfang und ein gutes Ende jeglicher Unternehmung helfen. In Indien sind arrangierte Ehen keine Seltenheit und so müssen häufig Verhandlungen rund um die Hochzeit geführt werden. Auch hier ist es Ganesha, der einem dabei zur Seite steht. Nach einer Hochzeit ist der nächste Schritt oft der Bau eines Eigenheims. Die beste Vorgehensweise ist, den Platz dafür Ganesha zu weihen und das Haus damit unter seinen Schutz zu stellen.[1]

Kommen wir nun zum Aussehen von Ganesha. Der Gott ist leicht von anderen hinduistischen Gottheiten zu unterscheiden, was vor allem an seinem Elefantenkopf liegt. Weiters hat Ganesha vier Arme und auffallend ist ebenso sein dicker Bauch. Alle diese körperlichen Besonderheiten weist die Darstellung auf der Prunkkassette auf. Der Körper wird manchmal als der eines Mannes, aber auch als der eines Kindes bezeichnet. Diese äußeren Merkmale führen dazu, dass seine Beinamen unter anderem „Lambakarna“ (dt. „langohrig“) oder „Lambodara“ (dt. „mit Hängebauch“) lauten. Wahrscheinlich ist, dass Ganesha anfangs in Gestalt eines kompletten Elefanten verehrt wurde und nach und nach zu seiner menschlichen Gestalt mit Tierkopf (theriomorph) fand. In verschiedenen asiatischen Kulturen gilt der Elefant als weise und edel. Aufgrund seiner Größe kann er sich den Weg durch jedes Dickicht und Hindernis bahnen, was im Zusammenhang mit den Aufgabenbereichen von Ganesha als „Beiseitiger der Hindernisse“ und als Schutzgott der Reisenden steht. Interessant ist auch das Reittier des Gottes, denn dabei handelt es sich um eine Maus. Ein Elefant auf einer Maus – das klingt jetzt in manchen Ohren sicher seltsam. Hier sollte man jedoch bedenken, dass dieses Tier sich durch winzige Öffnungen quetschen kann und sich durch vieles einfach hindurchnagt. So kann man erneut die Verbindung zur Beseitigung von Problemen und Barrieren ziehen. [2]

Neben den schon erwähnten Bereichen, die unter Ganeshas Schutz fallen, gibt es noch mehr, um das er sich kümmert. So ist er der Gott der Schriftsteller und soll an der Entstehung des indischen Epos „Mahabarata“ mitgewirkt haben. Wenn man mit dem Schreiben eines Buches beginnt, kann man Ganesha um Beistand bitten. Häufig wird am ersten Schultag vor dem Erlernen des Alphabets in der Klasse das Mantra „Om Sri Ganeshaya Namah“ (dt. „Heil dem Heiligen Ganesha, dem Ehrenwerten“) aufgesagt. Ganesha ist weiters der Gott der Wissenschaft und der Künste, der Beherrscher der Zahlen, aber auch der Erinnerungskraft. All dies spiegelt sich in den beiden Gattinnen des Gottes wider, die „Siddhi“ (dt. „Erfolg“) und „Buddhi“ (dt. „Intelligenz“) heißen. Beide konnte Ganesha für sich gewinnen, indem er sie mit seinem allumfassenden Wissen und seinem Intellekt beeindruckte.[3]

Abb. 4: Darstellung „Ganesha“ am Deckel

Als Eltern von Ganesha werden meistens Śiva und Parvati genannt. Im Mythos wird erzählt, dass Parvati es satthatte, dass Śiva sie beim Baden störte. Aus diesem Grund erschuf sie aus Badeöl und anderen Materialien sowie den Wassern des Ganges ein männliches Wesen mit dickem Bauch, das ihre Badezimmertür bewachte. Śiva, der für sein temperamentvolles Gemüt bekannt war, schlug dem Mann namens Ganesha den Kopf ab, als dieser ihn am Betreten des Bades hinderte. Kurz darauf bereute der Gott seine Tat und setzte ihm stattdessen das Haupt eines Elefanten auf die Schultern. Ganesha kann laut Überlieferung besänftigend auf seinen zerstörerischen Vater wirken, weswegen ihn die Gläubigen als Beschützer vor Śivas Zorn anrufen. Häufig fehlt bei Darstellungen einer der beiden Stoßzähne beim Elefantenkopf. Auch dazu kennt man einen Mythos. Ganesha wachte über die Tore von Kailasa und ließ niemandem zu seinem Vater Śiva. Eines Tages kam Parashurama, die 6. Inkarnation von Vishnu und wollte zu Śiva vorgelassen werden. Ganesha verweigerte dies und so schlug Parashurama dem Gott einen seiner Stoßzähne aus. Aus diesem Grund trägt er auch den Beinamen „Ekadanta“ (dt. „der mit einem Stoßzahn“). Zu diesem Thema existiert noch ein weiterer Mythos. Als Ganesha durch den Wald ritt, vollgefressen mit Süßigkeiten und Früchten, scheute sein Pferd vor einer Schlange und warf ihn ab. Dabei platzte der mit Opfergaben reichlich gefüllte Bauch und alles rollte heraus. Ganesha zögerte nicht lange, stopfte alles wieder in sich zurück und band die Schlange – die schuld an seinem Unglück war – wie eine Bandage um seine Mitte. Allerdings hatte der Gott des Mondes alles gesehen und lachte Ganesha aus. Voll Zorn warf der Gott einen seiner Stoßzähne in Richtung Mond, der ihn allerdings nie wieder zurückgab.[4]

Zur Verehrung von Ganesha ist zu sagen, dass er ein Gott ist, der in der Bevölkerung sehr beliebt ist und nicht wie andere Götter als weit entrückt angesehen wird. In zahlreichen Städten und Dörfern findet man Statuen von Ganesha mit seinem typischen Aussehen. Auch in den Häusern selbst stehen Abbildungen des Gottes an besonderen Plätzen und werden mit Schmuck und Blumen verziert. Ende August, genauer gesagt am vierten Tag der hellen ersten vierzehn Tage des Mondmonats Bhadrapada, feiert man zu Ehren von Ganesha ein Fest, das „Ganesh Chaturthi“. Dabei stellt man kleine Statuen des Gottes aus verschiedenen Materialien (Stoff, Lehm) her und betet zu Ganesha. Nach zehn Tagen nimmt man die Figuren und wirft sie in ein Gewässer. Während dem Fest darf man auf gar keinen Fall den Mond betrachten, da dieser Ganesha – wie vorhin erwähnt – ausgelacht hat.[5]

Nach diesem Blick auf Ganesha, sein besonderes Aussehen, seine Funktion und Mythen rund um ihn, kommen wir kurz noch auf den Elefanten als Symbol – vor allem in China – zu sprechen.

Das chinesische Wort für Elefant lautet „xiang“ und das gewaltige Tier steht für Intelligenz, Kraft, Unerschütterlichkeit und moralische Stärke. In der Frühzeit von China streiften noch wilde Elefantenherden durch das Land, gezähmt wurden sie von den Menschen ungefähr seit dem 3. Jh. v. Chr. Häufig werden sie in den Mythen als Reittiere der Helden bezeichnet. Auch von Buddha erzählt man sich, dass er auf einem Elefanten geritten sein soll. Generell bedeutet in China auf einem Elefanten zu reiten, dass man Glück haben wird. Das Bild von einem Kind, das auf einem solchen Tier sitzt, bedeutet einen Segenswunsch, welcher auch auf Karten abgedruckt wird. Ebenfalls ein Bild, das den Elefanten als Glückssymbol zeigt, ist ein mit Schatztruhen beladenes Tier. Als Wächter von verstorbenen Kaisern fungierten steinerne Elefantenstatuen, die entlang der Wege zu den Herrschergräbern, gemeinsam mit anderen Tieren, aufgestellt waren. In Siam, welches in größten Teilen dem heutigen Thailand entspricht, war auf der Staatsflagge ein weißer Elefant auf rotem Grund zu sehen. Dieser galt als die Inkarnation von Buddha.[6]

Die Koralle als Material für Kunstobjekte

Sowie Ganesha ausgezeichnet zum Thema „Reisen“ passt, so gilt dies auch für das Material aus dem der Gott auf der Kassette hergestellt ist: Koralle. Man denkt sofort an kristallklares Meer und Sonne. Beides sind Faktoren, die wichtig für den Lebensraum von Korallen sind, wie im Weiteren ausgeführt wird.

Auch wenn die meisten Menschen Korallen farblich mit einem hellen Rosa oder einem Rotton („corallium rubrum“) in Verbindung bringen, gibt es Korallen in vielen Farben. So existieren auch schwarze, blaue oder weiße Korallen. Prinzipiell bezeichnet der Begriff „Koralle“ im Meer lebende Tiere, aber auch Pflanzen, die in Kolonien siedeln. Man kann das Wort weiters für die Ausscheidungen dieser Lebewesen verwenden, die ein Kalkgerüst bilden. Korallen fühlen sich in mindestens 20° C warmem Wasser am wohlsten, welches einen hohen Gehalt an Sauerstoff und anderen Nährstoffen aufweist. Dies hat den Grund, dass Korallen eine Symbiose mit Algen eingehen, die Photosynthese betreiben. Dieser Vorgang benötigt allerdings Sonnenlicht und deshalb findet man die Lebewesen nur in einer Tiefe bis zu 40 m.[7]

Bereits aus dem alten Ägypten kennt man Funde von kleinen Korallenästen, die als Grabschmuck den Toten mitgegeben wurden. Ein Mythos aus dem antiken Griechenland erzählt, dass Korallen bei der Tötung der Medusa entstanden wären. Als Perseus dieser den Kopf abschlug, versteinerte das herausspritzende Blut. So nannte man Korallen in der Antike auch „Gorgoniden“, weil Medusa eine von drei Schwestern war, die man als „Gorgonen“ bezeichnete. Der römische Autor Plinius der Ältere beschreibt in seinem Werk „Naturalis historia“ die Korallen als Schutz gegen manche Krankheiten, aber auch gegen den bösen Blick. In China steht die Koralle symbolisch für ein langes Leben, aber auch für beruflichen Erfolg. Als Talismane und Amulette fanden Korallen in Indien Anwendung.[8]

Abb. 7: Kassette mit geöffnetem Deckel

Kommen Sie vor Ihrer nächsten Reise in die Schell Collection und statten Ganesha einen kleinen Besuch ab. Möglicherweise stehen Sie dann bei Ihren Wegen in ferne Länder unter dem Schutz des Gottes mit dem Elefantenkopf. Frei nach dem Motto „Nutzt’s nix, so schad’s nix!“

Text: Mag. Verena Lang

 

Literaturverzeichnis:

Duve, Karen; Völker Thies: Lexikon berühmter Tiere. Vito von Eichborn GmbH & Co. Verlag KG – Frankfurt/Main – 1997.

Eberhard, Wolfram: Lexikon chinesischer Symbole. Heinrich Hugendubel Verlag – Kreuzlingen/München – 2004.

Guter, Josef: Lexikon der Götter und Symbole der alten Chinesen. Handbuch der mystischen und magischen Welt Chinas. Marix Verlag GmbH – Wiesbaden – 2004.

Hartmann, P.W.: Kunstlexikon. Wien – 1996.

Knappert, Jan: Lexikon der indischen Mythologie. Mythen, Sagen und Legenden von A-Z. Hrsg., übers. Und bearb. von Michael Görden und Hans Christian Meiser. Seehamer Verlags GmbH – Weyarn – 1997.

Kurts, Friedrich: Handbuch der Mythologie. Phaidon Verlag GmbH – Essen – 1869.

Tripp, Edward: Reclams Lexikon der antiken Mythologie. 8. biblio., aktual. Aufl. Philipp Reclam jun. – Stuttgart – 2012.

 

Online-Quellen:

https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/korallen/37053 vom 4.6.2021.

 

Abbildungsverzeichnis:

Abb. 1-7: Hannah Konrad, Schell Collection

 

[1] Vgl. Duve, S. 242; Knappert, S. 134; Kurts, S. 21.

[2] Vgl. Duve, S. 242; Knappert, S. 134f.

[3] Vgl. Duve, S. 242; Knappert, S. 135f.; Kurts, S. 21.

[4] Vgl. Duve, S. 242; Knappert, S. 134-137; Kurts, S. 21.

[5] Vgl. Knappert, S. 134, 136f.

[6] Vgl. Eberhard, S. 72f.; Guter, S. 77f.

[7] Vgl. Hartmann, S. 832f.; https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/korallen/37053 vom 4.6.2021.

[8] Vgl. Guter, S. 190; Hartmann, S. 832f.; Tripp, S. 333f.