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Objekt des Monats September 2020

Igeler Säule, Königlich Preußische Gießerei Sayn, um 1830

Maße: 16 x 14 x 55 cm

Das Pfeilergrabmal einer römischen Tuchhändlerfamilie aus Trier, 23 Meter hoch, entstanden in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts nach Christus, ist das Besterhaltendste seiner Art nördlich der Alpen. Ursprünglich färbig gefasst, bot es neben der Grabstätte auch eine Werbebotschaft für das Geschäft der Tuchhändler und die Stadt Trier. Auf den Reliefs sind Geschäftstätigkeiten gleichermaßen neben Familienszenen und heraldische Gestalten vertreten.

Die unvorteilhafte Lage und die beträchtliche Höhe des Pfeilers erschwert noch heute die genaue Betrachtung der einzelnen Felder. Viele Gelehrte und Forschen haben sich bemüht, dem Geheimnis des Pfeilers auf den Grund zu kommen. Erst Heinrich Zumpft von der Sayner Hütte gelang es 1828, ein detailgetreues Modell der Säule herzustellen. Dazu wurde ein Gerüst aufgestellt und Heinrich Zumpft arbeitete im Juli 1828 vier Wochen lang an einer Form in einer „Höhe von 19 Zoll, welches beiläufig den 45. Theil der natürlichen Grösse ausmacht“[1]. Die Arbeit gelang unter „äusserter Anstrengung und unter sehr ungünstigen Umständen“, doch anhaltender Regen und ein Augenleiden verhinderten den Abschluss der Arbeit. Um diese zu vollenden, wurde Ende August des gleichen Jahres noch einmal ein Gerüst errichtet. Heinrich Zunft und Carl Osterwald reisten erneut an, um auch die Spitze des Denkmals zu untersuchen und um die ganze Säule noch exakter zu vermessen. Durch die bereits starke Verwitterung des Sandsteines, durch Verfärbungen, Ausbesserungen und Abplatzungen des Gesteins und unter genauer Berücksichtigung des jeweiligen Sonneneinfalles zu unterschiedlichen Tageszeiten, gelang eine „treue Darstellung dessen zu erhalten, was wirklich da ist.“[2]

Originalabgüsse in Bronze und Gips wurden erzeugt und an Kunstfreunde versandt. Das wichtigste Nebenprodukt der mühsamen Arbeit war aber die Zeichnung von allen vier Seiten durch Georg Osterwald, den Bruder von Carl Osterwald.

Geheimrat Wolfgang Goethe kam in den Besitz eines Bronzeabgusses und war dermaßen angetan, dass er einen Brief an die beiden Herren, Heinrich Zumpft und Carl Osterwald, sandte. Im August 1791 hatte Goethe das Denkmal erstmals gesehen und in seinem Tagebuch vermerkt „… möge irgendein Ingenieur … sich die Mühe nicht verdriessen lassen das Denkmal auszumessen und insofern er Zeichner ist, auch die Figuren der vier Seiten, wie sie noch kenntlich sind, uns überliefern und erhalten“[3]. Dem Wunsch war nun nachgekommen worden und das Faksimile der Igeler Säule in Miniatur, versetzte den Dichter in euphorisches Lob.

Abb. E. Zahn, Trierer Zeitschrift 31, 1968

Wie kam die Sayner Hütte nun auf die Idee, dieses Grabdenkmal in Eisen zu gießen? Für einen Kandelaber den die Berliner Hütte gegossen hatte, suchte man ein Pendant und fand es in der Igeler Säule. Man erkannte schnell, dass die Säule nicht die gewünschte Wirkung hatte, als Einzelkunstwerk in der Höhe von 3 Metern jedoch, entsprechende Wirkung entfalten würde. Christian Daniel Rauch äußerte diesen Gedanken und bot seine Dienste an, um bei der Restauration der beschädigten Teile zu helfen. Die Berliner wollten die Säule in schönem Zustand präsentieren und nicht im verwitterten Eindruck. Die Kosten dafür waren jedoch viel zu hoch, nach einigen Monaten sandte man den Modelleur Heinrich Zumpft nach Igel und gemeinsam mit dem Vorsteher der Modellkammer Carl Osterwald gelangen die Vorarbeiten zum Wachs- und Gipsmodell, nach dem in Bronze und Eisen gegossen werden konnte. Die Igeler Säule war kleiner als ursprünglich geplant und in tatsächlichem Zustand abgeformt. Scheinbar war die Größe des Gusses, ein „handliches Schreibtischformat von knapp 50 cm Höhe“[4] leichter zu vermarkten und die nun nicht geschönte Ansicht der Säule wurde als  „Tugend der möglichst objektiven … unbeeinflußten Bestandsaufnahme..“[5] bezeichnet.

Ein Metallmodell aus Messing war für die Ausführung des kleinen Schreibtisch-Modells notwendig und die Säule wurde aus vielen Einzelteilen zum Ganzen zusammengesetzte. Nur sechs Güsse aus Bronze sind bekannt und es scheinen die Vorzugsexemplare gewesen zu sein, die König Friedrich Wilhelm III. und Goethe erhielten. In Goethes Haus stand die Säule bis 1922, bevor sie gestohlen und durch eine eiserne Kopie ersetzt wurde.

Die Frage taucht auf, warum eine dermaßen detailgetreue Wiedergabe eines römischen Denkmals geschaffen wurde. Das fast wissenschaftliche Modell soll Archäologen dienen und als vielfach in Eisen gegossene Ausgabe für die Allgemeinheit, die Bildung des Volkes fördern. Diesen Anspruch verfolgte die Sayner Hütte bereits mit den Darstellungen auf Neujahrskarten, wo viele Denkmäler und Kirchen des Kreises reproduziert sind. Eine gewisse denkmalpflegerische Absicht ist den beiden Meistern Zumpft und Osterwald nicht abzusprechen. Nach dem Geschenk an den König wurde von der Regierung verfügt, das Denkmal unter die ständige Obhut der Denkmalpflege zu stellen.

Viele Restaurierungen erfolgten im Lauf der nächsten Jahre. 1906 wurde das gesamte Denkmal abgeformt und in Kunststein ausgegossen. Diese, wie ursprünglich, färbig gefasste Abformung ist heute im Hof des Landesmuseums in Trier aufgestellt und gibt einen herrlichen Eindruck vom original farbenprächtigen Aussehen des Grabdenkmals.

Frühe Eisengüssen kann man laut Ingeborg Krueger gut an Details am Schuppendach erkennen.[6] Bei alten Modellen gibt es eine Lücke am Firstgiebel und den einfachen, kubischen Eisensockel. Bei neueren Modellen gibt es keine Lücke am Firstgiebel und ein dunkler Marmorsockel mit schrägen Oberkanten ist der Sockel. Güsse aus der Sayner Hütte waren sowohl jene aus Bronze als auch jene mit dem Marmorsockel.

Sockel mit Inschriftentafel

Relativ neue Kopien der Säule wurden Mitte des 20. Jahrhunderts in der Halbergerhütte, Saarbrücken-Brebach gegossen. Diese neueren Güsse sind leicht zu erkennen, sind sie doch nicht in vielen Teilen gegossen und anschließend zusammengesetzt, wir die frühen Sayner Säulen. Säulen der Halberger Hütte sind relativ dickwandig in einem Stück gegossen und nur der Adler des Ganymed wurde anschließend aufgenietet. Als Sockel wurde ein mitgegossener Stufenunterbau verwendet, ein Schild an der Vorderseite bezeichnet die Herkunftsangabe aus Halberg.

In Hirzenheim wurde in der Gießerei Buderus die Igeler Säule ebenfalls nachgegossen. Als Modellvorlage diente ein Stück der Halberger Hütte. Sie sind mit dem Gießereizeichen der Buderus-Gießerei gekennzeichnet und mit dem mitgegossenen Schild, das auf die Halberger Hütte verweist.

 

Wer aber waren die Auftraggeber des Grabmales, die Familie der Secundiner?

Eberhard Zahn[7] gibt Auskunft darüber: Die Secundiner waren einheimische Landwirte, die sich nach der Besetzung des Landes durch die Römer 50 vor Christus in die römische Wirtschaft einbrachten. Sie konnten Land und Boden behalten und verpachteten es als Großgrundbesitzer an andere Pächter. Dafür erhielten sie Geld und Waren in Form von Tuch. Das erklärt auch das Relief auf der Südseite der Säule, wo scheinbar angeliefertes Tuch geprüft wird. Die Gewebe wurden von den Secundinern weiterverkauft und transportiert. Die Säule steht, wie andere Grabdenkmäler der Zeit, direkt an der Straße, wird von Vorbeikommenden gesehen und diente neben dem Gedenken auch der Werbung. Solche Grabmäler sind in Gallien und in der Rhein- und Moselgegend häufig. Hier sind jedoch keine Toten bestattet.

 

Was ist auf der Säule im Detail dargestellt?

Das Denkmal kann in acht Zonen unterteilt werden. Die Stufen, den Sockel, den mittigen Hauptteil, das Gebälk mit dem Fries, die Attikazone, den Giebel, das Schuppendach und die Bekrönung.

Beginnend mit der Stufenzone, ist erkennbar, dass nur die Nord- und Westseite unzerstört blieben. Auf ihnen, sind neben Tritonen, Delphinen und Eroten, die Treidelfahrt auf der Mosel mit Tuchballen zu erkennen. Daneben noch ein bärtiger Flussgott aus dessen Gefäß der Fluss strömt.

In der Sockelzone wird vorwiegend die Tätigkeit der Tuschhändler gezeigt. Von der Verschnürung der Tuchballen (Nordseite), zum Transport der Ballen auf Wagen (Westseite), dem Geschäftslokal (Südseite) bis hin zur Tuchwerkstatt (Ostseite).

Der Hauptteil der Säule zeigt auf drei Seiten mythologischen Figuren und Göttern. Nur an der Südseite, der Schauseite zur Straße hin, ist ein Inschriftenfeld angebracht. Danach folgen Achilles (Ostseite), Himmelfahrt des Herkules mit Minerva (Nordseite) und Perseus und Andromeda an der Westseite.

Über dem Hauptbild folgt das Gebälk mit Fries. Der Inhalt ähnelt der Sockelzone und berichtet über das Familienleben der Tuchhändler und deren Tätigkeiten. Zu sehen sind die Secundiner beim Familienmahl (Südseite), die Küche (Ostseite), Transport über das Gebirge in Wagen (Nordseite) und Abgaben bringende Pächter auf der Westseite.

 

Die Attikazone unter dem Giebel erzählt bis auf eine Ausnahme wieder von der Geschäftstätigkeit: Einer Tuchprobe (Südseite), der Buchhaltung (Ostseite) und dem Reisewage mit Meilenstein auf der Straße (Westseite). Die Ausnahme bildet die Nordseite mit der Darstellung eines Eros und zwei Greifen.

Das Giebelfeld zeigt auf allen vier Seiten Mythologie: Hylas und die Nymphen (Südseite), die Mondgöttin Luna (Ostseite), Sonnengott mit vier Pferden (Nordseite) und Mars mit Rhea Silvia auf der Westseite. Um das Giebelfeld sind die Ecken mit Akroterien geschmückt, das sind Verzierungen von Giebel-Enden oder Giebel-Ecken. Akrotere sitzen auf Akroterkästen und sind häufig in Form einer Palmette gestaltet. Hier auf der Igeler Säule sind die Ziererhebungen in Form von Masken geformt. Auf dem Kasten ist jeweils ein liegendes Mädchen im Relief zu sehen.

 

Das Dach ist pyramidenförmig mit Schuppen reliefiert, ähnlich von Dachziegeln. Darüber erhebt sich die Bekrönung, die die Entführung des Ganymed durch den Adler des Jupiters zeigt.

Unter dem Ganymed zu erkennen, ist ein eiförmiger Pinienzapfen, der bei Grabdenkmälern häufig ist. Die Entführung des Ganymed ist eine Anspielung auf die „erhoffte Himmelfahrt der Grabinhaber, aber keineswegs im christlichen Sinne zu deuten.“[8]

Erwähnenswert scheint noch, dass das gesamte Grabdenkmal vollständig färbig gefasst war. Eine Rekonstruktion dieser färbigen Fassung ist in der Kopie der Säule im Landesmuseum Trier zu betrachten.

Im Zuge einer Ausstellungseröffnung im Eisenkunstgussmuseum Bendorf Sayn im Jahre 2011 konnte die Säule in Igel von der Autorin erstmals mit eigenen Augen betrachtet werden.

Igler Säule, Aufnahme Pall 2011

Eine farbig gefasste Kopie in Originalgröße steht im Hof des Rheinischen Landesmuseums in Trier. Gefertigt im Jahr 1907 durch den Modelleur Schawel wurden ein Abguss in Gips sowie zwei Abgüsse in einer Zementmischung hergestellt. Jene aus Zement wurde ein Jahr lang im Freien gelagert um die Wetterbeständigkeit des neuen Materials zu erproben. Diese gelang und im Sommer 1908 wurde die Säule im Maßstab 1:1 aufgebaut. Die am Original entdeckten Farbreste ergaben eine Bemalung der Säule in den Haupttönen Weiß, Ocker, Braun, Grün und Hellblau im Hintergrund. Dadurch ergibt sich eine plastische Wirkung des Reliefs und die Säule erscheint wie aus Marmor gestaltet.

Die farbige Fassung der Kopie ist „primär dazu bestimmt, ein bau- und kunstgeschichtlich einmaliges Denkmal monumentaler Reliefkunst als technisches Denkmal für die Zukunft zu erhalten.“[9]

Die Igeler Säule stellt neben der Warwick-Vase und dem Hildesheimer Silberschatz ein weiteres antikes, in Eisenkunst gegossenes Kulturgut dar, damit Sammler und Besitzer ihre Bildung mithilfe der Kopien aus Eisen angemessen präsentieren konnten. In der Schell Collection hat die von Goethe initiierte Säule einen Sonderplatz und wird von Besuchern aus aller Welt bestaunt.

Autorin: Mag. Martina Pall

 

LITERATUR:

Cüppers Heinz: Die Kopie der „Igeler Säule“ in neuem Gewand. An der Nachbildung des Secundinier-Grabmals ist die einzige Bemalung rekonstruiert worden. In: Kopierte Seiten einer unbekannten Zeitschrift, Seite 89-94. Vermutlich Trierer Zeitschrift für Geschichte und Kunst des Trierer Landes und seiner Nachbargebiete, eventuell 1993/94.

Krueger Ingeborg: „Facsimile in Miniatur“ – Zur Entstehung und Geschichte des Modells der Igeler Säule aus der Sayner Hütte. Sonderdruck aus Trierer Zeitschrift 48, Trier 1985.

Osterwald Carl und Heinrich Zumpft: Das Römische Denkmal in Igel und seine Bildwerke, mit Rücksicht auf das von H. Zumpft nach dem Originale ausgeführte 19 Zoll hohe Modell, beschrieben und durch Zeichnungen erläutert von Carl Osterwald. Mit einem Vorworte von Goethe. Coblenz 1829.

Pall Martina: Schmuck und andere Kostbarkeiten aus Eisenkunstguss. Ausstellungskatalog Velbert 2003.

Zahn Eberhard: Die Igeler Säule bei Trier. Sonderdruck Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz. Heft 6/7 1968, Neuß 1968.

[1] Osterwald Seite 15.

[2] Osterwald, Seite 18.

[3] Osterwald, Vorwort von Goethe am 1. Juni 1829.

[4] Krueger, Seite 230.

[5] Krueger, Seite 230.

[6] Krueger, Seite 237 f.

[7] Zahn, Seite 37 f.

[8] Zahn, Seite 15.

[9 Cüppers, Seite 94.