Objekt des Monats

Objekt des Monats September 2019

Tantalusflasche – dreifach

Datierung: Biedermeier ( von 1815 bis 1848)

Herkunft: England

Material: Holz, Glas, Messing

Maße:  33,6 x 12 x 28 cm

Inventarnummer: 5945

Beschreibung Flaschen

Diese drei geschliffenen Glasflaschen in einem verschließbaren Tragegestell nennt man Tantalusflaschen. Der Flaschenhalter besteht meist aus einem Gehäuse aus Metall oder Holz, in dem zwei bis drei Dekanter oder Karaffen Platz haben. Solche Objekte wurden verwendet um Liköre oder teuren Alkohol auszustellen, jedoch ohne dabei Unbefugten eine Möglichkeit zu geben, etwas von den Köstlichkeiten zu naschen.

Die hier abgebildeten Tantalusflaschen bestehen aus geschliffenem Glas mit einem runden, geschliffenen Glasstoppel und haben eine Füllmenge von 0,5 l. Sie stehen in einem Holzgestell, welches an allen vier Seiten erhöht ist, wodurch die Flaschen nicht heraus fallen können. Am unteren Teil des Tragegestells sind alle Ecken mit platiniertem Silber beschlagen. An den kurzen Seiten des Holzgestells sind die Wände so erhöht, dass sie mit den Flaschen auf einer Ebene enden. Darüber befindet sich ein Messinggriff, mit dem man die Tantalusflaschen tragen kann. Auf einer der kurzen Seite des Holzgestells, auf mittlerer Höhe, befindet sich ein Messingschloss, womit man die Tantalusflaschen versperren kann. Dieser Messinggriff lässt sich über dem Schloss nach hinten klappen, sodass man die Flaschen entnehmen kann.

Auf beiden kurzen Seiten des Tragegestells findet man Inschriften. Auf der einen Seite in das Metall „The Tantalus“ geprägt und auf der anderen Seite, ebenfalls in das Metall eingeprägt  „Betjeman’s Patent 53522, London“ . Beide diese Inschriften sind ein Hinweis darauf, dass es sich bei diesen Tantalusflaschen um Originale von dem Erfinder, George Betjemann, handelt.

Wer war Tantalus?

Tantalus galt als „König von Sipylos in Lydien, Sohn des Zeus und der Pluto, der Tochter des Kronos.“ [1] Je nach Quelle erwies sich Tantalus der außerordentlichen Gunst der Götter auf unterschiedliche Weise, als unwürdig. Denn es war ihm erlaubt sich auf dem Olymp und unter den Göttern aufzuhalten, als wäre er einer von ihnen.  Tantalus ging  „auf dem Olymp ein und aus und genoss wie die Götter Nektar und Ambrosia. Er fühlte sich wie ein Gott und war doch ein Mensch, den es trieb sich unter den Menschen mit seiner Sonderstellung zu brüsten.“ [2] Tantalus erzürnte die Götter unter anderem damit, indem er Nektar und Ambrosia, die Götternahrung, von den himmlischen Tafeln des Olymps stahl und diese mit auf die Erde nahm und dort verteilte. Ebenso erzählte er so manches Geheimnis des Zeus den Sterblichen, „während Tantalus sich den Göttern immer ähnlicher fühlte, begann er umgekehrt an ihrer übermenschlichen Macht zu zweifeln.“[3] Dadurch das Tantalus die Götter nicht fürchtete, schreckte er weder vor Hehlerei noch vor Meineid zurück.  So verbarg er, zum Beispiel, für den Dieb Pandareos einen goldenen Hund, den jener aus dem Tempel des Zeus gestohlen hatte. Als die Götter nach jenem Hund suchten, „schwor Tantalus beim Zeus, dass er es nicht habe.“[4]

Um die Allwissenheit der Götter endgültig auf die Probe zu stellen und sie zu erniedrigen, dachte sich Tantalus einen grauenhaften Plan aus. „Er zerstückelte seinen eigenen Sohn Pelops, kochte ihn und setzte ihn als Speise den Göttern vor.“ [5] Allen Götter war sofort klar, was sie da vorgesetzt bekamen.  Bis auf Demeter, die von ihrer Trauer um ihre Tochter Persephone abgelenkt war, sie aß ein Stück der Schulter von Pelops. Die Götter machten das grausame Verbrechen Tantalus an seinem Sohn schnell wieder gut, indem sie ihn wieder zusammen setzten und zum Leben erweckten.

Das nun fehlende Stück der Schulter wurde von Demeter durch eine Prothese aus Elfenbein

Abbildung 1: Bernard Picart’s Tantalus’s Torment, an original etching and engraving, Temple of the Muses.

ersetzt.  Tantalus wurde von den Göttern als Strafe für seine Taten und seinen Übermut, in die Unterwelt verbannt. Jedoch war er damit nicht genug gestraft, denn die Götter sind grausam. Sie setzten Tantalus in einen See, der ihm bis zum Kinn reichte. Jedoch jedes Mal „wenn er sich niederbeugte, um seinen brennenden Durst zu stillen, trocknete der See aus. Zweige mit Früchten hingen über seinem Kopf, aber wenn er seine Arme emporstreckte, um sie zu pflücken, blies der Wind sie fort. Außerdem war ein Stein über ihm aufgehängt, der jeden Augenblick auf ihn niederzufallen und ihn zu zerschmettern drohte.“[6]  So wurde Tantalus zu einem Leben in ständiger Todesangst verdammt, denn richtig sterben konnte er nicht. Da er durch seine göttliche Herkunft und dadurch, dass er so lange Ambrosia und Nektar genießen durfte, nicht sterben konnte. [7]

Zweck – Schlüsselgewalt

Tantalus ist vor allem für seine ewig währenden Höllenqualen bekannt. Wieso nun ein solcher Name für Flaschen voll Likör, Whiskey oder andere Genussmittel. Einerseits könnte es daran liegen, dass die Flaschen versperrt waren. Dies sollte den Zugriff von Unbefugten auf die teuren Getränke verhindern, hierbei sind vor allem Kinder, Jugendliche oder die Dienerschaft gemeint.[8] Jedoch ist dies keine Quahl, für jenen dem die Flaschen und der Alkohol darin gehört. Der Name könnte jedoch andererseits auch auf die sogenannte Schlüsselgewalt hinweisen, die vor allem im 19. und 20. Jahrhundert weit verbreitet war.

Diese Schlüsselgewalt „ übernahm die Frau am Tag der Hochzeit (..), d.h. sie konnte im Namen ihres Mannes Rechtsgeschäfte abschließen und trug einen großen Schlüsselbund an einem Gürtel um die Taille, an dem die Schlüssel für alle Schränke, Türen und Truhen des Hauses hingen.“[9]  In der christlichen Theologie, findet man die Schlüsselgewalt im Matthäus-Evangelium verankert. Wo „Petrus von Christus die Vollmacht erhielt, zu binden oder lösen, d.h. die Kirchgewalt auszuüben. Diese Vollmacht ging an den Papst über. Das Attribut des Apostels Petrus ist der Schlüssel, der sich in den päpstlichen Insignien wiederholt.“[10] Die Voraussetzung für das Bestehen einer weltlichen Schlüsselgewalt war das Vorhandensein, „eines  gemeinschaftlichen Hauswesen, daher ruht die Schlüsselgewalt bei getrennt Lebenden.“[11] Das erste Mal wird die Schlüsselgewalt in der Zivilrechtliteratur im 19. Jahrhundert erwähnt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es davor keine gesetzlichen Erwägungen zu diesem Thema gab. „In den mittelalterlichen Stadtrechten, so zum Beispiel in der Handfeste von Freiburg 1249, ist festgelegt, wann und in welchem Umfang die Frau Geschäfte abschließen kann und wie weit ihr zu diesem Zweck ein Recht zur Vertretung des Mannes zugestanden werden soll.“[12]

Wie zu Beginn erwähnt, wurde die Schlüsselgewalt von der Frau bei der Hochzeit übernommen, symbolisiert durch die Überreichung des Schlüssels des Hauses. Diese „Tradition zur Bekräftigung häuslicher Rechte hat ihre Wurzeln bis in die römische Zeit. Wenn die Ehefrau verstarb, der Witwer die Schlüsselgewalt zurückbekam, trug er fortan einen kleinen silbernen Schlüssel an der Uhrkette.“[13] Um zu symbolisieren, dass die nun wieder bei ihm weilende Schlüsselgewalt, an eine neue Dame des Hauses, abzugeben ist.

Das heißt also, dass man die Getränke, die die Flaschen beinhalten, sehen, jedoch nicht darauf zugreifen konnte. Da die Gewalt über die Schlüssel des Hauses und somit auch über die Schlüssel für die Tantalus Flaschen, der Ehefrau obliegen. Es konnte also schon einmal passieren, dass die Liköre oder anderen Getränke, nicht nur den Dienern nicht zugänglich waren. Sondern auch dem Herren des Hauses verwehrt blieben und er somit in ewigen Qualen den Getränken in ihren verschlossenen Flaschen nachtrauern musste.

Besonderheiten/ Patent

Das originale Patent der Tantalusflaschen, stammt von George Betjemann aus dem Jahr 1881. Dieser war ein niederländischer Schreiner, der in der Pentonville Road 34-42 in London sein Handwerksgeschäft hatte. [14]

Es ist bekannt, dass zwei verschiedene Arten der Tantalus Flaschen, nach dem Vorbild von Betjemann produziert wurden. Einerseits die etwas einfachere Version, bei dem bis zu drei Glasflaschen auf einem Holz Tablett stehen. Dieses Tablett hat einen Henkel und erhöhte Seitenwände, so dass man die Flaschen bzw. Dekanter sieht, jedoch nicht heraus nehmen kann. Erst wenn die Seitenwände aufgesperrt werden und diese somit offen stehen, kann man die Flaschen heraus nehmen. Diese Tantalus Flaschen/Tabletts bestehen im Normalfall aus Holz mit Metallbeschlägen an den Ecken. Je nach Alter und Qualität sind jene aus poliertem Messing oder vernickelt. [15]

Andererseits, gibt es die komplexere Form der Tantalusflaschen. Diese hat eine flache Schale und bietet Platz für bis zu drei Karaffen, die von einer Holz Haube verschlossen sind. Diese Haube besteht aus zwei Teilen, ein Teil besteht aus dem Gelenk, der andere Teil aus dem Schloss. In der Regel befindet sich eine Schublade unter der Holzplatte auf der die Flaschen stehen, die durch eine Federverriegelung freigegeben wird, die beim Anheben des Deckels zugänglich wird.  Auch bei dem komplexeren Model ist es nur möglich eine Flasche zu entnehmen, wenn der Holzdeckel aufgesperrt und somit offen steht.[16]

Eine weitere Form der Tantalusflaschen, ist das Tantalus Schloss. Dies ist ein rundes Schloss, welches auf die Flasche oder Karaffen gesetzt wird. Normalerweise gibt es einen Stutzen  und einen Federbolzen, der durch eine Verlängerung am unteren Ende des Schlosses, herausgezogen wird. Einige Versionen haben einen Schiebestutzen wie ein Gepäckschloss. [17] Allen gemein ist, dass es ebenfalls einen Schlüssel braucht um das Schloss zu öffnen und somit an die Flüssigkeit im Inneren der Flaschen, heran zu kommen.

Text: Ines Kerschitz, BA

Quellen:

Dommermuth-Gudrich, Gerold: 50 Klassiker Mythen, 2000

Locks & Keys, Nr.13, Novemeber 2000

Pall, Martina: Prunkstücke – Art Treasures, Graz, 2005

“Pullman, the Magazine of the Pullman Gallery” 31 Dezember 2008. S. 5, https://pullmangallery.com/pdfs/27.pdf?p=5 [05.08.2019]

Schatz und Schutz – Vom Keuschheitsgürtel bis zum Sargschlüssel. Katalog zur Jahresaustellung. 12.04-04.11.2018, Esterhazy Privatstiftung, 2018

Survey of London: volume 47: Northem Clerkenwell and Pentonville”. English Heritage. 2008. S.339 -372, https://www.british-history.ac.uk/survey-london/vol47/pp339-372 (05.08.2019)

Tripp, Edward: Reclams Lexikon der antiken Mythologie, Hildesheim, 2012

Wer den Schlüssel nicht ehrt. Austellungskatalog. Deutsches Schloß- und Beschlägemuseum. Velberg, 1990

Abbildungen:

Abbildung 1: Bernard Picart’s Tantalus’s Torment, an original etching and engraving, Temple of the Muses. 3

http://www.artoftheprint.com/artistpages/picart_bernard_tantalus_torment.htm [19.08.2019]

 

[1] Tripp, Edward: Reclams Lexikon der antiken Mythologie, Hildesheim, 2012. S. 493

[2] Dommermuth-Gudrich, Gerold: 50 Klassiker Mythen, 2000. S. 259 f.

[3] Dommermuth-Gudrich, Gerold: 50 Klassiker Mythen, 2000. S. 259 f.

[4] Dommermuth-Gudrich, Gerold: 50 Klassiker Mythen, 2000. S. 259 f.

[5] Dommermuth-Gudrich, Gerold: 50 Klassiker Mythen, 2000. S. 260 f.

[6] Tripp, Edward: Reclams Lexikon der antiken Mythologie, Hildesheim, 2012. S.493

[7] Vgl.: Dommermuth-Gudrich, Gerold: 50 Klassiker Mythen, 2000

[8] Vgl.: “Pullman, the Magazine of the Pullman Gallery” 31 Dezember 2008. S. 5, https://pullmangallery.com/pdfs/27.pdf?p=5 [05.08.2019]

[9] Schatz und Schutz – Vom Keuschheitsgürtel bis zum Sargschlüssel. Katalog zur Jahresaustellung. 12.04-04.11.2018, Esterhazy Privatstiftung, 2018. S.19

[10] Wer den Schlüssel nicht ehrt. Austellungskatalog. Deutsches Schloß- und Beschlägemuseum. Velberg, 1990, O.S.

[11] Ebd.

[12] Ebd.

[13] Pall, Martina: Prunkstücke – Art Treasures, Graz, 2005. S. 37

[14] Vgl.: Survey of London: volume 47: Northem Clerkenwell and Pentonville”. English Heritage. 2008. S.339 -372, https://www.british-history.ac.uk/survey-london/vol47/pp339-372 (05.08.2019)

[15] Vgl.: Locks & Keys, Nr.13, Novemeber 2000, S. 3

[16] Vgl.: Locks & Keys, Nr.13, Novemeber 2000, S. 3

[17] Vgl.: Locks & Keys, Nr.13, Novemeber 2000, S. 3