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Objekt des Monats März 2023

Das Märchen von Amor und Psyche

Liebe und Leid gebannt in Eisenkunstguss

Abb. 1: Wandbild „Amor und Psyche“, Eisenkunstguss, 19. Jh.

Diesen Monat wird ein Objekt vorgestellt, das mit dem Thema Liebe verbunden ist. Ein Wandrelief aus Eisenkunstguss zeigt eine Szene aus einer bekannten antiken Erzählung: „Das Märchen von Amor und Psyche“. Wie der Titel bereits verrät, ist eine der Hauptpersonen niemand geringerer als der römische Liebesgott Amor. Doch wer ist Psyche und warum trägt sie diesen Namen? Welche Widrigkeiten warten auf die Liebenden? Und werden sie am Ende zueinander finden?

Neugierig geworden – dann tauchen Sie ein in die Liebesgeschichte von Amor und Psyche voller Drama und Spannung.

Das Objekt

Inv.-Nr. 1692. Maße: 41 x 20 cm

Wie eingangs bereits erwähnt, handelt es sich diesen Monat um ein Exponat aus Eisenkunstguss, genauer gesagt um ein Wandrelief. Zur Verschönerung wurde das Objekt noch zusätzlich vernickelt. Es stammt aus dem 19. Jahrhundert und wurde aller Wahrscheinlichkeit nach in der Gießerei Lauchhammer angefertigt.[1]

Abb. 2: Detail „Psyche mit der Öllampe.“

Auf der Vorderseite sieht man eine junge Frau, die eine Öllampe in der Hand hält. Sie beugt sich über den schlafenden Liebesgott Amor. Dies erkennt man einerseits an den vor dem Bett liegenden Pfeilen im Köcher. Andererseits hält der Gott den dazu passenden Bogen in der Hand. Wichtig ist das Detail des Tropfens heißen Öls, der von der Lampe auf Amor hinunterfließt. Daraus lässt sich ableiten, dass es sich um eine Szene aus der Geschichte „Das Märchen von Amor und Psyche“ handelt. Aber zu diesem Schlüsselmoment der Erzählung später mehr. Das Objekt befindet sich derzeit im 2. Stock der Sammlung und repräsentiert gemeinsam mit anderen Exponaten die Kunstfertigkeit der Gießereien im 19. Jahrhundert.

Das Märchen von Amor und Psyche

Bevor auf den Autor der Erzählung sowie deren Inhalt eingegangen wird, ein paar Wort warum es sich um ein Märchen und nicht um einen Mythos handelt. Es besteht keine eindeutige Definition des Begriffes „Mythos“. Ein Mythos hat vor allem Bedeutung für ein Kollektiv von Personen und zählt zu der Gruppe der traditionellen Geschichten. Mythen werden weitererzählt und verändern sich dadurch ständig. Manchmal sind Teile der Geschichte für eine andere Personengruppe nicht stimmig und werden umgedichtet. Das ist der dynamische Charakter von Mythen. So kommt es, dass heute von einem Mythos viele Versionen bekannt sind und keine ist falsch, nur abgeändert.[2]

Ein wichtiger Unterschied zwischen Mythos und Märchen ist die Erwähnung einer fixen Örtlichkeit beim Mythos. Das kann eine Stadt, ein Berg oder eine Gegend sein. Weiters wird in einem Mythos oft die Abstammung der handelenden Personen aufgezählt. Beides fehlt bei einem Märchen. Jeder kennt ja den berühmten Anfangssatz von Märchen „Es war einmal vor langer, langer Zeit in einem weit entfernten Land eine schöne Prinzessin…“.[3]

Wenn man die ersten Zeilen des Märchens von Amor und Psyche liest, fällt sofort auf, dass es in dieser Form kein Mythos mehr sein kann. Apuleius[4] schreibt von einem König und einer Königin in irgendeiner Stadt, die drei wunderschöne Töchter haben. Die einzige Abweichung von einem typischen Märchen ist die Nennung der Namen der Hauptpersonen wie Psyche, Amor und all die anderen Gottheiten.

Der Verfasser – Apuleius von Madaura

Eines bereits vorweg – Apuleius hat sich die Erzählung von Amor und Psyche nicht selbst ausgedacht. Sie hat ihren Ursprung im antiken Griechenland und hatte zunächst aller Wahrscheinlichkeit nach einen religiösen Charakter. In der Version von Apuleius findet man dies nicht, aber auch keinen pädagogischen Sinn oder ähnliches. Apuleius lebte im 2. Jh. n. Chr. – genauer gesagt wurde er 125 n. Chr. in Madaura geboren. Die Stadt lag im Nordosten des heutigen Algeriens. Seine Erziehung erhielt Apuleius in Karthago und Athen. Auf seinen Reisen verprasste er sein Vermögen und musste in Rom als Rechtsanwalt arbeiten. Ein bemerkenswertes Detail in seinem Leben ist ein Prozess gegen Apuleius wegen angeblicher Zauberei. Er hatte eine reiche Witwe geheiratet und man warf ihm vor, dass er sie mit Magie zur Liebe genötigt hatte. Apuleius war jedoch ein ausnehmend guter Redner. Seine Verteidigungsschrift ist erhalten und führte zu einem Freispruch. Das bekannteste Werk ist jedoch „Die Metamorphosen“. Hier wird die Geschichte von Lucius erzählt, der in einen Esel verwandelt wird. Das Märchen von Amor und Psyche wird im Rahmen der Metamorphosen als Geschichte in der Geschichte wiedergegeben. Das Todesjahr ist nicht genau bekannt. In der Literatur ist es meistens mit ca. 170 n. Chr. angegeben.[5]

Der Inhalt des Märchens

Abb. 5: Statue der Göttin Venus aus Eisenkunstguss, 19. Jh.

Den genauen Inhalt hier wiederzugeben würde den Rahmen des Artikels sprengen, aber es sollen die Schlüsselszenen angeführt werden, damit man die Erzählung nachvollziehen kann. Wer die komplette Geschichte lesen möchte, findet im Literaturverzeichnis den Hinweis auf die Taschenbuchversion des Reclam Verlags. Viele Gottheiten kommen in dem Märchen vor. Apuleius verwendet naturgemäß immer die römische Bezeichnung. Generell ist zu sagen, dass die Römer in ihrer Glaubensvorstellung vieles von den griechischen Gottheiten übernommen haben. Kommen wir nun zum Inhalt.[6]

Psyche war eine Prinzessin einer nicht näher genannten Stadt. Weil das Mädchen so unbeschreiblich schön war, wurde sie von den Menschen wie eine Göttin verehrt. Das rief den Zorn der Liebesgöttin Venus hervor, da ihr niemand mehr huldigte. Die Göttin schickte ihren Sohn Amor aus, um Psyche zu bestrafen. Amor war der geflügelte Liebesgott, der mit seinen Pfeilen Menschen und Unsterbliche dazu brachte, sich zu verlieben.

Psyche war die Verehrung durch die Menschen unangenehm und ihre Eltern fürchteten den göttlichen Zorn. Und so kam es auch. Das Orakel von Delphi weissagte, dass Psyche einen grässlichen Dämon zum Ehemann nehmen müsse. Die unglückliche Prinzessin wurde auf einen Felsen geführt, wo sie auf ihren Zukünftigen warten solle. Doch kein Ungeheuer tauchte auf, nur ein sanfter Westwind trug sie auf seinen Schwingen zu einem zauberhaften Palast. Dort wurde Psyche fürstlich bedient und schlief anschließend ein. In der Nacht wurde Psyche von einer sanften Stimme geweckt. Diese stellte sich als ihr zukünftiger Ehemann vor. Sie musste schwören, dass sie niemals versuchen würde, ihn bei Licht zu sehen. Das Mädchen versprach es und verbrachte die Nacht mit dem Unbekannten. So wurden sie Mann und Frau.

Dies ging nun Nacht für Nacht so. Doch am Tag war Psyche einsam und ihr Gatte erlaubte ihr, dass ihre Schwestern sie besuchten. Diese waren neidisch auf den schönen Palast und machten Psyche deshalb den unsichtbaren Ehemann schlecht. Die Zweifel des Mädchens wuchsen immer mehr und sie beschloss sich Gewissheit zu verschaffen. In der nächsten Nacht wartete sie, bis ihr Mann eingeschlafen war, und kam mit einer Öllampe an das Bett. Im Lichtschein erblickte sie – zu ihrer Überraschung – den schönen Liebesgott Amor. Dieser hatte sich nämlich in Psyche verliebt und sie zu seiner Frau gemacht, statt den Auftrag seiner Mutter Venus auszuführen.

Psyche bewunderte gebannt die göttliche Schönheit ihres Mannes. In diesem Moment tropfte heißes Öl auf die Schulter des Gottes. Genau diese Szene sieht man auf dem Objekt des Monats.

Amor erwachte und war unglaublich zornig über den Betrug seiner Frau. Der Gott verließ die weinende Psyche unverzüglich und flog zu seiner Mutter Venus. Nun war die Liebesgöttin wiederum in Rage, da Amor es nicht nur versäumt hatte Psyche zu bestrafen – nein er hatte sie sogar geheiratet. Als Strafe sperrt sie ihren Sohn in sein Zimmer.

Die unglückliche Psyche suchte Amor und gelangte schließlich zum Palast der Venus. Diese ließ ihren Zorn zunächst an dem verzweifelten Mädchen aus. Dann stellte sie ihr unlösbare Aufgaben, die sie erledigen musste. Nur dann würde Venus sie als Schwiegertochter akzeptieren. Die Aufgaben zu beschreiben würde zu lange dauern. Als erstes musste Psyche verschiedene Körner sortieren. Viele kleine Ameisen halfen ihr dabei. Einen gewissen Bezug im späteren Märchen „Aschenputtel“ kann man hier nicht abstreiten. Danach sollte sie Wolle von fleischfressenden Schafen holen. Durch einen Trick schaffte Psyche auch das. Als drittes wollte Venus einen Krug mit den Wassern des Unterweltflusses Styx. Hier half der Adler des Jupiters dem Mädchen. Als vierte und schwerste Aufgabe sollte Psyche ein Kästchen voll mit den Schönheitssalben der Göttin Proserpina aus der Unterwelt holen. Auch hier hatte Psyche Hilfe, denn ein sprechender Turm gab dem Mädchen gute Ratschläge, und sie wäre beinahe erfolgreich gewesen. Psyche überwand alle Hindernisse in der Unterwelt und erhielt von Proserpina bereitwillig das Kästchen mit den Salben. Wieder zurück auf der Erde konnte Psyche der Versuchung nicht widerstehen und öffnete den Deckel. Genauso wie im Mythos der Pandora kommt auch jetzt nichts Gutes dabei raus. Ein todesähnlicher Schlaf übermannte Psyche augenblicklich und sie sank auf den Boden.

An dieser Stelle kommt Amor wieder ins Spiel. Er war immer noch verliebt in Psyche, brach aus dem Palast seiner Mutter aus und suchte seine Frau. Amor fand Psyche leblos im Gras, doch mit einer Bewegung seiner Flügel verscheuchte der Liebesgott den Schlaf. Psyche erwachte und blickte glücklich in die Augen ihres Mannes. Eine Szene fast wie bei Dornröschen. Hier griff nun Jupiter als oberster Gott ein und die beiden Liebenden könnten nun endlich zusammen sein. Amor und Psyche bekamen eine Tochter namens Voluptas (dt. „Lust“) und Venus söhnte sich mit ihrer Schwiegertochter aus.

Somit gibt es für Amor und Psyche doch noch ein Happy End. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

Die Rezeption des Märchens

Abb. 8: Wandrelief „Amor und Psyche“, Eisenkunstguss, 19. Jh.

Wie bereits erwähnt, hat die Geschichte von Amor und Psyche ihren Ursprung in der griechischen Antike. Somit ist die Version bei Apuleius eigentlich schon eine Rezeption, also eine Übernahme von fremden Gedanken- oder Kulturgut. Bei den Griechen wurde die personifizierte Seele als „Psyche“ bezeichnet. Man kennt Darstellungen auf Vasen, die kleine Wesen mit Schmetterlingsflügeln zeigen. Diese schwirren häufig um Gräber herum und sollten die Seelen repräsentieren. Auch der Schmetterling selbst wurde Psyche genannt. Wenn man nun Darstellungen des göttlichen Liebespaares betrachtet, dann ist Psyche häufig mit zarten Schmetterlingsflügeln versehen.[7] Man kann die Geschichte von Psyche als Reinigung der menschlichen Seele hin zu absoluter Glückseligkeit interpretieren.[8]

Der römische Liebesgott Amor hat zwar einige Ähnlichkeiten mit dem griechischen Eros. Allerdings fehlt Amor die Erhabenheit eines Gottes. Oftmals wirken seine Taten kindisch und mit seinen Liebespfeilen macht er allerlei Unsinn. Die Kunst stellt den Gott deswegen häufig als kleines Kind mit Flügeln sowie Pfeil und Bogen dar. Bei Apuleius wird Amor körperlich zwar eher als Jüngling beschrieben, aber charakterlich wirkt der Liebesgott noch eher unreif. Amor trug auch den Namen „Cupido“, was sich vom lateinischen Wort für „Verlangen“ ableitet. Auch bei Apuleius „verlangt“ es den Liebesgott nach Psyche und er setzt sich über die Anweisungen seiner Mutter, Psyche zu bestrafen, einfach hinweg.[9] Auch auf dem Wandrelief aus Eisenguss wird Amor mit eher kindlichen Zügen dargestellt und nicht als große Gottheit mit gewaltiger Macht wie in der griechischen Variante.

Abb. 9: Rückseite des Wandbildes.

In der Kunst finden sich zahlreiche Rezeptionen der Geschichte von Amor und Psyche. Berühmte Skulpturen wie jene von Antonio Canova (1793) oder Auguste Rodin (1885) kann man in Museen bewundern. Weiters haben sich Künstler wie Raffael Santi (1518), Giorgio Vasari (16. Jh.) oder William Adolphe Bouguereau (1895) dem Thema angenommen. Auch in der Musik und Literatur findet man einige Bearbeitungen des Märchens von Amor und Psyche.[10] Trotz dieser unglaublichen Vielfalt von Skulpturen und Gemälden konnte die Vorlage für das gusseiserne Wandrelief nicht ermittelt werden. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Text: Mag. Verena Lang

 

Quellen- und Literaturverzeichnis

Apuleius: Das Märchen von Amor und Psyche. Lateinisch/Deutsch. Übers. und hrsg. Kurt Steinmann, bibliographisch ergänzte Ausgabe. Philipp Reclam jun. GmbH & Co – Stuttgart – 2004.

Dommermuth-Gudrich, Gerold: 50 Klassiker Mythen. Die bekanntesten Mythen der griechischen Antike. Gerstenberg Verlag – Hildesheim – 2000.

Dörrie, Heinrich: Apuleius. In: Der kleine Pauly. Lexikon der Antike in fünf Bänden, Band. 1. Bearb. und hrsg. Konrat Ziegler und Walther Sonnleitner. dtv Verlag – München – 1979. Sp. 471-472.

Hunger, Herbert: Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Mit Hinweisen auf das Fortwirken der antiken Stoffe und Motive in der bildenden Kunst, Literatur und Musik des Abendlandes bis zur Gegenwart. 6. erw. und erg. Aufl. Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH – Reinbek bei Hamburg – 1974.

Lang, Verena: Die Bedeutung der lakonischen Mythen für die spartanische Politik in Archaik und Klassik. Diplomarbeit. Graz – 2011.

Pötscher, Walter: Psyche. In: Der kleine Pauly. Lexikon der Antike in fünf Bänden, Bd. 4. Bearb. und hrsg. Konrat Ziegler und Walther Sonnleitner. dtv Verlag – München – 1979.  Sp. 1213.

Preiskurrant Eisenwerk-Lauchhammer, Musterbuch der Actiengesellschaft Lauchhammer. Lauchhammer – 1872-1921.

Tripp, Edward: Reclams Lexikon der antiken Mythologie. 8. biblio. akt. Ausgabe. Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG – Stuttgart – 2012.

 

Online-Quellen

https://www.theoi.com/Ouranios/Psykhe.html vom 11. Februar 2022.

 

Abbildungsverzeichnis

[1] Vgl. Preiskurrant Eisenwerk-Lauchhammer, Tafel 14h, No. 3536.

[2] Vgl. Lang, S. 10f.

[3] Vgl. Ebda, S. 11.

[4] Vgl. Apul. met. IV, 28,1.

[5] Vgl. Dörrie, Sp. 471-472; Pötscher, Sp. 1213.

[6] Vgl. Apul. met. IV, 28 – VI, 24; Dommermuth-Gudrich, S. 279f.; Tripp, S. 459ff.

[7] Vgl. Hunger, S. 358.

[8] Vgl. https://www.theoi.com/Ouranios/Psykhe.html vom 11. Februar 2022.

[9] Vgl. Tripp, S. 44.

[10] Vgl. Hunger, S. 359.