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Objekt des Monats Dezember 2021

Das kaiserliche Christkind

Der Kalender zeigt den 1. Dezember und damit steigt die Vorfreude auf Kekse, Weihnachtslieder und selbstverständlich den Heiligen Abend. Deshalb steht diesen Monat auch ein waschechtes „Christlkindl“ im Rampenlicht. Die Person, die am 24. Dezember 1837 auf die Welt kam, musste sich ohnehin ihr ganzes Leben damit abfinden, bestaunt und betrachtet zu werden. Die Rede ist von niemandem geringerer als Kaiserin Elisabeth, auch bekannt als „Sisi“. In der Schell Collection befinden sich einige Exponate, die Kaiserin Elisabeth darstellen. Herausragend ist eine große Büste aus Eisenkunstguss, die im 2. Stock des Museums zu sehen ist. Sie zeigt Elisabeth anlässlich der Krönung zur Königin von Ungarn im Jahr 1867.

Abb. 1: Büste aus Eisenkunstguss „Kaiserin Elisabeth von Österreich“, 19. Jh.

Hier eine „Sisi-Biographie“ zu schreiben, würde den Rahmen des Artikels sprengen. Andere Autoren haben diese Aufgabe bereits in vielfältiger Weise mit Bravour erledigt. Deswegen liegt der Fokus beim historischen Moment der Krönung Elisabeths zur ungarischen Königin, dem Gussobjekt selbst sowie dem Vorbild aus Marmor.

 

Eine Büste aus Eisenkunstguss und ihre Vorlage

Inv.-Nr. 1219, H: 80 cm

Abb. 2: Gussmarke der Gießerei Meindl-Breit

Im Jahr 1981 – also vor 40 Jahren – fand die große Büste aus Eisenkunstguss ihren Weg in die Schell Collection. Dargestellt ist Kaiserin Elisabeth von Österreich nach einer Vorlage einer Marmorskulptur von Victor Tilgner. Sie zeigt die Gattin von Kaiser Franz Joseph I. anlässlich der Krönung zur Königin von Ungarn im Jahr 1867 in der typischen Kleidung einer ungarischen Adeligen. Auf der Eisenkunstgussbüste kann man seitlich am Gewand die Signatur von Victor Tilgner entdecken. Auf Abb. 2 sieht man die Punze der Gießerei Meindl-Breit. In deren Werkstätte entstand das bemerkenswerte Gussobjekt, welches zu den besten der Gießerei zählt.[1]

Gegründet wurde die eher kurzlebige Gießerei Meindl-Breit in Wien 1870. Ihren Standort hatte das Unternehmen in der Wimmergasse im 5. Bezirk. Als Gründer gilt Josef Meindl, der später mit seinem Schwiegersohn Alois Breit zusammenarbeitet. Meindl war zum Modelleur und Ziseleur an der Akademie der bildenden Künste ausgebildet worden. Der Anteil an Objekten aus Eisenkunstguss war immer schon niedriger als der des industriellen Gusses, doch nach dem Ende des 1. Weltkrieges stellte die Gießerei gar keinen Kunstguss mehr her. Neben Eisen wurden auch Objekte aus Bronze gegossen. Das Unternehmen musste mehrfach den Standort wechseln und auch die Belegschaft verkleinerte sich Anfang des 20. Jahrhunderts. In der Zwischenkriegszeit taten Meindl und Breit alles um den Betrieb zu erhalten. 1944 starb der Gründer und bereits 20 Jahre später kam das endgültige Aus für die Gießerei Meindl-Breit.[2]

Die originale Büste stammt aus der Werkstatt von Victor Tilgner, einem Wiener Bildhauer der dem Neobarock zuzuordnen ist. Tilgner lebte von 1837-1896 und einige seiner Werke sind bis heute in Wien zu besichtigen. Das berühmteste davon ist mit Sicherheit jenes von Wolfgang Amadeus Mozart, welches zunächst auf dem Platz vor der Albertina und jetzt im Burggarten seinen Standort hat. Andere Bauwerke der Ringstraße, die mit Statuen und Büsten von Tilgner geschmückt sind, wären das Burgtheater, das Naturhistorische Museum oder die Hofburg. Der Künstler weilte nur 52 Jahre unter seinen Zeitgenossen und war hoch angesehen. Dies kann man in seinem Nachruf in der Ausgabe der Neuen Freien Presse vom 18. April 1896 lesen.[3]

 

Abb. 5: Marmorbüste von Kaiserin Elisabeth

 

Kaiserin Elisabeth und die Krönung zur Königin von Ungarn

Abb. 6: Sarg der Kaiserin Elisabeth in der Kapuzinergruft, Wien.

Kaiserin Elisabeth von Österreich fasziniert und beschäftigt die Menschen heute ebenso wie zu ihren Lebzeiten. Diese begannen – wie bereits erwähnt – am 24. Dezember 1837 in München und endeten am 10. September 1898 in Genf. Dort wurde Elisabeth vom Anarchisten Luigi Lucheni mit einer Feile erstochen. Bis heute ruht die Kaiserin in der Kapuzinergruft an der Seite ihres Mannes Kaiser Franz Joseph I. und ihrem Sohn Kronprinz Rudolf.[4]

Elisabeth von Bayern wuchs in Schloss Possenhofen am Starhemberger See auf und lernte im Alter von 15 Jahre den jungen Franz Joseph I. in Bad Ischl kennen. Jeder kennt die Geschichte, dass Franz Joseph eigentlich Helene, die ältere Schwester von Sisi, heiraten sollte, sich aber in die jüngere Schwester verliebte. Die prunkvolle Hochzeit fand am 24. April 1854 in Wien statt. Doch die anfängliche große Liebe erlosch bereits nach wenigen Jahren. Es begannen die Zeit der rastlosen Reisen von Elisabeth fern vom Wiener Hof. Ihr Gatte bekam sie nur selten zu Gesicht. Die Erziehung der Kinder des Kaiserpaares lag in der Hand von Elisabeths Schwiegermutter Erzherzogin Sophie, was häufig zu Spannungen und zu einer Entfremdung der Kaiserin zu ihrer Familie führte. Dies zog weitere Reisen nach sich. Besonders Griechenland, vor allem aber Korfu, hatten es Elisabeth angetan. Das Meer und die kargen Felsenküsten faszinierten die Kaiserin mehr als das Salzkammergut, welches ihr Gatte bevorzugte. So lernte Sisi Neugriechisch und beschäftigte sich mit Mythologie und der Geschichte Griechenlands. In ihren späteren Jahren ließ sich Elisabeth sogar einen Anker auf die Schulter tätowieren, der ihre Verbundenheit und Liebe zum Meer symbolisieren sollte.[5]

Elisabeth hielt sich weitgehend aus der Politik heraus, nur in einem Punkt zeigte die Kaiserin Engagement: Dem Ausgleich mit Ungarn. An dieser Stelle sind vielleicht ein paar Worte über die Vorgeschichte angebracht. Das Kaiserreich Österreich – welches seit 1804 bestand – beherbergte innerhalb seiner Grenzen zahlreiche Nationen, was im Lauf des 19. Jahrhunderts zu massiven Problemen führte. Im Jahr 1848 kam es in vielen Teilen der Habsburger Monarchie zu Revolten – man spricht von der „Märzrevolution“. Diese erfasste auch die ungarischen Gebiete und dort wurden die Befreiung der Bauern aus der Leibeigenschaft sowie die Abschaffung der

Abb. 7: Detail der Büste

Adelsprivilegien ausgerufen. Kaiser Franz Joseph I. wurde nicht mehr als Herrscher anerkannt und das Haus Habsburg galt damit als abgesetzt. Nur mit Hilfe des russischen Zarenreiches konnte Franz Joseph der Lage in Ungarn Herr werden, da dieses einen Zweifrontenkampf nicht lange durchstand. Im August 1849 kam es zur Kapitulation und in weiterer Folge zur Hinrichtung von einigen berühmten Freiheitskämpfern wie Lajos Batthyány. Ungarn wurde in fünf Provinzen unter Militärverwaltung aufgeteilt.[6]

Elisabeth hatte in ihrer Zeit als Kaiserin schon schnell eine Vorliebe für die Ungarn, das Land und die Lebensweise gefasst. So lernte sie Ungarisch, umgab sich mit ungarischen Hofdamen und Vertrauten wie Ida Ferenczy oder Graf Gyula Andrássy und verbrachte viel Zeit auf Schloss Gödöllő nordöstlich von Budapest. Dies führte dazu, dass sich die Kaiserin für die Ungarn vehement einsetzte als diese einen Ausgleich mit Österreich anstrebten. Doch nicht nur die Bitten der Kaiserin werden Franz Joseph umgestimmt haben, sondern auch die militärischen Niederlagen bei Königgrätz gegen Preußen und die aufreibenden Auseinandersetzungen mit Sardinien-Piemont. Beides hatte die Habsburger Monarchie politisch geschwächt. Dies war ein geeigneter Zeitpunkt für einige Nationalitäten, um vermehrt Forderungen hinsichtlich politischer Mitsprache und Gleichberechtigung zu stellen.[7]

Aus diesem Grund kam es 1867 zum Ausgleich mit Ungarn, in dessen Zug Franz Joseph und Elisabeth zu König und Königin von Ungarn gekrönt wurden. Beide trugen zu diesem Anlass die Tracht der ungarischen, adeligen Großgrundbesitzer (Magnaten). Wie schon erwähnt trägt die Elisabeth-Büste von Victor Tilgner eben jenes Krönungsgewand. Die Zeremonie fand am 8. Juni 1867 in der Matthiaskirche in Ofen nahe bei Budapest statt. Damit waren nun Österreich und Ungarn durch Franz Joseph in einer Personalunion verbunden. Er trug nun die Bezeichnung „Kaiser von Österreich und Apostolischer König von Ungarn“ und man überreichte ihm bei der Krönung die Stephanskrone. Innenpolitisch agierte Ungarn unabhängig von der Habsburger Monarchie, aber Außen-, Heeres- und Finanzpolitik wurden gemeinsam geführt. Im Vergleich zu den anderen Nationalitäten in der Monarchie machten die Ungarn etwa 1/3 der Gesamtbevölkerung aus. Nach dem Ausgleich zählten die Ungarn – ebenso wie die Deutschen – zu den privilegierten Gruppen im Herrschaftsgebiet. Die österreichische Reichshälfte bezeichnet man als „kaiserlich-königlich“, die ungarische als „königlich-ungarisch“. Behörden, die für Angelegenheiten beider Reichsteile zuständig waren, wurden mit dem Kürzel k.u.k. gekennzeichnet.[8]

Elisabeth war zu diesem Zeitpunkt 29 Jahre alt und damit jene bildschöne Frau, die das damalige Europa in ihren Bann zog. Dies spiegelt sich in der Büste von Victor Tilgner und damit auch im Objekt des Monats wider.

Das weitere Leben der Kaiserin war geprägt von der Geburt ihrer Lieblingstochter Marie Valerie, mehrjähriger Reisetätigkeit sowie aufwendigem Körperkult. Wie bekannt ist, achtete Sisi penibel auf ihr Gewicht. Sobald dieses 50 Kilo überschritt, bezeichnete sie sich selbst als „dick wie eine Tonne“. Durch intensive Turnstunden, strikte Diäten sowie Schönheitskuren wollte sich Elisabeth ihre Jugendlichkeit und ihren Liebreiz erhalten. Dies war allerdings ein vergebliches Unterfangen. In ihren 50er Jahren versteckte Elisabeth ihr Gesicht hinter Fächern und Schirmen und zeigte sich der Öffentlichkeit nur noch selten. Gichtanfälle, Ischiasbeschwerden und eine Störung der Nerven machten ihr das Leben schwer, was für eine bewegungsfreudige Person wie Sisi eine Katastrophe bedeutete. Zeitgenossen beschrieben die einstige Schönheit als ausgemergelt, blass und faltig, einige zeigten sich schockiert, wenn sie sie sahen. Sich dessen wahrscheinlich bewusst, wandte sich Elisabeth vermehrt der Dichtkunst zu, las die Werke des von ihr verehrten Heinrich Heine und betätigte sich selbst unter dem Pseudonym „Titania“ als Dichterin.[9]

Abb. 10: Gemälde von Ödön Tull „Krönung von Kaiser Franz Josef und Kaiserin Elisabeth zu König und Königin von Ungarn am 8. Juni 1867“, 19. Jh.

Ein großer Schicksalsschlag im Leben der Kaiserin war der Selbstmord ihres Sohnes Rudolf am 30. Jänner 1889. Obwohl Elisabeth zeitlebens kein inniges Verhältnis zum Kronprinzen hatte, trauerte sie intensiv um Rudolf. Danach sah man die Kaiserin nur noch in schwarzer Kleidung und sie magerte völlig ab. Wie bereits erwähnt ereilte Elisabeth der Tod nur wenige Jahre später in Form von Luigi Lucheni und der Feile in ihrem Herz.[10]

Die Rezeption zu Kaiserin Elisabeth

Zum Thema „Das Nachwirken von Kaiserin Elisabeth“ kann vermutlich jede/jeder in Österreich etwas beisteuern. Am bekanntesten ist mit Sicherheit die Filmtrilogie „Sissi“ aus den 1950ern, in der Romy Schneider die Hauptrolle spielt. Hier wird vor allem die Beziehung zum Kaiser stark romantisiert dargestellt und die Liebe zu Ungarn thematisiert. Weiters existieren zahlreiche Dokumentationen über die Kaiserin ebenso wie eine Zeichentrickserie und die Parodie „Lissi und der wilde Kaiser“ aus dem Jahr 2007. Elisabeth hat es mit dem gleichnamigen Musical auch auf die Bühnen dieser Welt geschafft. 1992 wurde es in Wien uraufgeführt und zeigte sich auch international als großer Erfolg. Wer sich selbst ein Bild vom Leben der Kaiserin machen will, der kann dies im „Sisi-Museum“ in der Wiener Hofburg tun. Auch die Tourismusbranche wirbt mit Sisi als Sujet in vielen Varianten wie Schokolade, Schmuck oder anderen Souvenirs.

Schon zu Lebzeiten wurden zahlreiche Gemälde, aber auch Skulpturen zu Ehren von Sisi angefertigt, wie eben jene Büste von Victor Tilgner. So trifft man in Wien auf die Kaiserin beispielsweise als Statue im Wiener Volksgarten oder am Salzburger Hauptbahnhof. Auch außerhalb von Österreich war und ist die Begeisterung für Sisi noch groß. So wunderte es nicht, dass man in Ungarn (Budapest, Szeged oder Gödöllő), Possenhofen in Bayern, Genf, Korfu oder Funchal auf Madeira auf eine Abbildung der Kaiserin trifft. Einige davon kann man als klassische Werke bezeichnen, manche zeigen eine moderne Gestaltung.

Die Büste von Kaiserin Elisabeth kann im zweiten Stock des Museums in der Abteilung Eisenkunstguss bewundert werden. Vielleicht ist der Advent die passende Zeit, das kaiserliche Christkind in der Schell Collection zu besuchen.

Text: Mag. Verena Lang

 

Abbildungsverzeichnis:

Abb. 1: Hannah Konrad, Schell Collection.

Abb. 2: Edmund Hofer.

Abb. 3-4: Hannah Konrad, Schell Collection.

Abb. 5: https://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_von_%C3%96sterreich-Ungarn#/media/Datei:Victor_Tilgner_-_Kaiserin_Elisabeth vom 21.10.2021.

Abb. 6: Privatarchiv Verena Lang.

Abb. 7: Hannah Konrad, Schell Collection.

Abb. 8: https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Empress_Elisabeth_of_Austria_in_Hungarian_clothing?uselang=de#/media/File:Elisabeth-%C3%96sterreich-1867.jpg vom 21.10.2021.

Abb. 9: https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Empress_Elisabeth_of_Austria_in_Hungarian_clothing?uselang=de#/media/File:Erzs%C3%A9bet_magyar_kir%C3%A1lyn%C3%A9_%E2%80%93_Wagner_S%C3%A1ndor.jpg vom 21.10.2021.

Abb. 10: https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96sterreichisch-Ungarischer_Ausgleich#/media/Datei:Ferenc_J%C3%B3zsef_koron%C3%A1z%C3%A1sa_Bud%C3%A1n. vom 21.10.2021.

 

Literaturverzeichnis:

Ferner, Helmut und Genée, Elfriede: Kleinkunst in Eisenguss. Petr Dvořák Verlag – Brünn – 1992.

Heimann, Heinz-Dieter: Die Habsburger. Dynastie und Kaiserreich. 4. durchges. Aufl. Verlag C.H. Beck – München – 2001.

Kinder, Hermann und Hilgemann, Werner: dtv Atlas Weltgeschichte – Von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart, Band 2., 37. Aufl. dtv Verlag – München – 2004.

Vocelka, Karl: Österreichische Geschichte. 3. Aufl. Verlag C.H. Beck – München – 2005.

Pall, Martina: Eisenkunstguss aus der Österreichisch/Ungarischen Monarchie. Exponate aus der Hanns Schell Collection. Eigenverlag Hanns Schell Collection – Graz – 2011.

Kramar, Konrad und Stuiber, Petra: Die schrulligen Habsburger. Marotten und Allüren eines Kaiserhauses. 10. Aufl. Piper Verlag GmbH – München/Berlin – 2016.

Online-Quellen:

https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?apm=0&aid=nfp&datum=18960419&seite=01 vom 18.10.2021.

 

[1] Vgl. Ferner, S. 80; Pall, S. 39.

[2] Vgl. Ferner, S. 80; Pall, S. 39.

[3] Vgl. https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?apm=0&aid=nfp&datum=18960419&seite=01 vom 18.10.2021.

[4] Vgl. Kramar, S. 202.

[5] Vgl. Ebda, S. 186f., 193ff.

[6] Vgl. Kinder, S. 337; Vocelka, S. 91.

[7] Vgl. Kinder, S. 357; Kramar, S. 190ff.

[8] Vgl. Heimann, S. 100ff.; Vocelka, S. 91f.

[9] Vgl. Kramar, S. 184, 187, 190.

[10] Vgl. Kramar, S. 199ff.