Objekt des Monats

Objekt des Monats März 2017

Französisches Möbelschloss mit Schlüssel, 17./18. Jahrhundert

Das Meisterstück der französischen Schmiedekunst gefertigt in Stahlschnitt-Technik hat eine besondere Vorgeschichte. Eine Geschichte der Trennung und Wiedervereinigung.

Ein französisches Meisterstück, das möglicherweise nie eingebaut war, als Objekt des Monats auszuwählen, bedarf einiger Erklärungen. Schöne Schlösser, hervorragend gearbeitet, akribisch geschmiedet und geschnitten, künstlerisch vollendet, gehegt und bewahrt und schlussendlich im Museum ausgestellt, finden sich in vielen europäischen Museen für Angewandte Kunst. Nie waren diese Objekte eingebaut und in Verwendung – sie stehen als Zeichen für Technik, Schönheit, Erfindungsreichtum und handwerkliche Kunst. Und deshalb sind sie Bestandteil und Ausstellungsstück dieser speziellen Museen.

Das Schloss mit der Inv. Nr. 8014 ist aber kein reines Schaustück. Das Schlüsselloch ist verborgen, ebenso wie der Mechanismus des Auf- oder Zusperrens. Der Heilige Antonius zeigt sich vollplastisch auf dem Vexiertürchen und steht unter einem filigranen, in Eisen geschnittenen Rundbogen. Ihn flankieren zwei tordierte Säulen mit ionischen Kapitellen. Zwischen deren Voluten sind vollplastisch kleine Köpfe zu erkennen. Als Hauptmotiv der Dekoration finden sich S-Bögen und stilisierte Akanthusblätter, mittig im Rundbogen der Buchstabe „A“. Das selbe A findet sich auch auf der Bekrönung der Laterne des Schlüssels – ohne Zweifel gehörten damit das Schloss und der Schlüssel zusammen – ohne Zweifel auch deshalb, da der komplizierte Kammbart perfekt in das Eingericht des Schlosses passt und der Schlüssel sperrt.

Gemeinsam wurden die beiden Stücke vor Jahrhunderten gefertigt, dennoch trennten sich ihre Wege bis zum Jahr 2016, wo der Schlüssel und das Schloss in der Schell Collection in Graz, wieder zusammenfanden. Der Schlüssel fand schon 2007 durch Ankauf den Weg in das Museum. Das Schloss kam 2013 in Frankreich in eine Auktion und konnte 2016 von Hanns Schell angekauft werden. Hier bereits mit dem Wissen, dass es sich um zwei zusammengehörige Stücke handelt.

Französischen Schmieden wurde ein sehr aufwändiges Prüfungsstück zur Erlangung der Meisterwürde abverlangt – und das hier vorgestellte Schloss samt dazu gehörigem Schlüssel, ist so ein Stück. Der französische Gelehrte Duhamel du Monceau äußerte sich im Jahre 1769 sehr kritisch über diese Schlösser. “Die Arbeit währet allemal sehr lange. Der Schlüssel und das Schloss waren dermaßen mit Zierrathen, durchbrochenen Oertern, Schnitzwerke und Charnieren beschweret, und mit einer so großen Anzahl von Zähnen und Vorstrichen versehen, die wie die Zähne an den Kämmen eingestrichen waren, desgleichen mit Löchern, die überaus schwer zu bohren waren, dass ein fleißiger und geschickter Arbeiter über manchen Schlüssel ein halb Jahr machte: der Schlüssel und das Schloß zusammen beschäfftigten ihn beynahe ein Jahr, und bishweilen so gar zwey Jahre.

Diese ganze Beschäfftigung lief eben gleichwohl auf weiter nichts hinaus, als dass dadurch ein Stück Arbeit von überaus schlechten Geschmacke und ebenso schlechten Gebrauche zum Vorschein kam. Obgleich an den Schlössern vier Verschließungen waren, so hatten sie doch nur einen halben Schluß, und man konnte das Eingerichte davon leicht in Unordnung bringen.

Was die Figuren der Schlüssel anlanget, so waren sie überaus lächerlich … Statt der gewöhnlichen Räute hatten sie ein viereckiges Capitäl, woran vier scharfe Ecken waren, die nothwendig die Hand desjenigen verletzten mußten, der sie ein wenig unbehutsam angriff.

… Gleichwohl wurden durch diese lächerlichen und zugleich auch schlechten Werke geschickte Arbeiter gebildet. Man wird wenig Arbeit finden, die man nicht einem Menschen anvertrauen könnte, der ein solchen Schlüssel und ein solches Schloß gemacht hatte.“[1]

Mit großer Sicherheit kann angenommen werden, dass das Schloss nie eingebaut war. Das hervorragend geschmiedete und geschnittene Schloss samt Schlüssel besteht aus unzähligen Einzelteilen, die nur von sehr versierten Handwerkern gefertigt und zusammengesetzt werden konnten. Hier verbarg sich ein wahrer Meister der Schlosserkunst, der, außer dem Buchstaben A, weder eine Marke setzte und darüber hinaus den Vorgang des Öffnens und Schließens für Unkundige stark einschränkte. Zum Öffnen und um das Schlüsselloch zu finden, muss ein verborgener Schieber betätigt werden, damit im Mittelteil der Heilige Antonius auf einem versteckten Türchen nach unten aufklappt. Danach muss die linke, durchbrochene Seitenwand, auch mithilfe eines verborgenen Schubers geöffnet werden. Wenn dieses Türchen offen ist, sind drei Schieberiegel zu sehen, die von Hand beim Zusperren zu betätigen sind. Das Öffnen erfolgt durch den Schlüssel, der zwei der drei Riegel aufsperrt. Der oberste Riegel, der sog. Nachtriegel wird wieder per Hand bewegt.

Zur Ikonographie: Der Heilige Antonius widerstand als Einsiedler in der Wüste allen Versuchungen wie der Unmäßigkeit und der Unkeuschheit, er kämpfte dagegen mit Dämonen und so wurde ihm das Sinnbild des Lasters in Form eines Schweines als Attribut beigegeben. Er ist dargestellt mit Buch, Glocke und T-Stab gilt als Patron der Schweine, und deren Speck galt als Heilmittel gegen das Antoniusfeuer (Vergiftung durch Mutterkorn). Antonius der Große, der Einsiedler, führt das Schwein als sein Attribut und hinter der Figur auf dem Schloss, ist ein Schwein zu sehen. Der Orden der Antoniter stand ganz im Dienste der Krankenpflege und hatte das Recht das „Antoniusschwein“ zur Mast im ganzen Dorf frei laufen zu lassen.

Teile der Reliquien des Heiligen sind heute in Frankreich, im Kloster Saint Antoine bei Grenobel zu sehen – sie wurden um 1070 von Byzanz gebracht.

Im Schlüssel (Inv. Nr. 6354) zeigt sich die wahre Pracht der Kunstschlosser. Diese Kammbart-Schlüssel oder Laternengriff-Schlüssel, wie sie in der Fachwelt heißen, sind die „blaue Mauritius“ jedes Sammlers. Die, von einer durchbrochenen Laterne bekrönte Reide mit eingestelltem Buchstaben „A“, geht über in die Rosette, die mit der stilistischen Wiederholung der ionischen Kapitelle des Schlosses aufwartet. Seitlich an der Rosette sind außen zwei spitzohrige Faungesichter aufgesetzt. Daran schließt ein Gesenk an, das doppelt konvex und durchbrochen ist. An den Hohldorn mit zweifach eingestelltem Rohr, ist der Bart gelötet, der seinerseits nach vorne 8 Lamellen und 5 Durchbrüche („Pertuis“) zeigt.

Über die Herstellung der Schlüssel und der Anzahl der Lamellen im Bart berichtet Duhamel du Monceau:  „Die Bärte von den Schlössern darzu wurden mit Pertuis… durchbrochen, welche weder mit einander, noch mit den Rändern des Schlüsselbartes Gemeinschaft hatten. Die wenigsten Pertuis (Besatzungen) die einer hatte, waren sieben, sie wurden denen, so Meister werden wollten, zum Meisterstücke aufgegeben. Diejenigen, welche denen vorgeschrieben waren, die Meister werden wollten, und keine Vorrechte hatten, beliefen sich von sieben bis auf ein und zwanzig.“[2]

Das heißt, dass jeder angehende Meister einen Schlüssel mit bis zu 21 (!) Lamellen fertigen musste. Vorrechte hatten nur Schlosser, die in Paris gelernt oder die bereits eine verwitwete Meisterin geheiratet hatten. Dazu kam noch, dass jeder Anwärter eine Lamelle mehr als sein Vorgänger am Schlüssel einfeilen musste. „Der war sehr unglücklich, welcher Meister werden wollte, wenn die Anzahl der Pertuis schon groß war: Seine Arbeit wurde dadurch viel schwerer, und dieses sowohl wegen der Pertuis als wegen der Besatzung die er dazu machen musste. [3]

Da diese Art der Meisterstücke vor allem darauf hinzielte, möglichst wenige Schlossermeister auszubilden, also die Konkurrenz nieder zu halten, wurde 1699 die Statuten, die seit Karl VI im Jahr 1411 galten, auf leichtere Prüfungsstücke abgeändert. Die Schell-Collection in Graz besitzt 21 Kammbart-Schlüssel und fünf dieser französischen Schlösser[4], die als Prüfungsstück galten. Der neue Aspekt dieser Schlösser war einerseits die Technik des Eisenschnittes, andererseits waren diese Schlösser außen angeschlagen (zum Unterschied zu den meisten deutschen Schlössern, die von außen nicht sichtbar waren) und sie lehnten sich eng an den vorherrschenden Geschmack der französischen Gotik an. Maßwerk, Fischblasen, Rosetten wie man sie eben von den großen Kathedralen in Paris, Chartres oder Straßburg kannte.

Der Eisenschnitt geschieht wie das Gravieren im kalten Zustand. Zunächst muss die Form vorgeschmiedet, um dann mit Bohrern, Meißeln und Sticheln weiter bearbeitet zu werden. Diese äußerst aufwändige und zeitraubende Arbeit verlangte nach gehärtetem Werkzeug. Zum Härten wurden die Feilen, Stichel und andere spanabhebende Geräte mehrfach glühend erhitzt und in kaltes Wasser oder kaltes Öl getaucht. Danach waren die Utensilien fähig das harte Eisen zu „schneiden“. Das hier vorgestellte Schloss samt Schlüssel ist ein außerordentlich seltenes und gut gelungenes Beispiele früher Schmiedetechnik. Und obwohl sie außen am Möbelstück angeschlagen und als Schloss erkennbar waren, verbergen sie den Mechanismus des Öffnens und waren für Unkundige kaum zu öffnen. Materialkenntnis und handwerkliches Geschick waren neben dem Wissen um die Technologie des Eisens und dem komplizierten Zusammenspiel von Riegeln, Winkelhaken und Federn, nur Meistern dieses Berufes vorbehalten und allen anderen verborgen.

Text: Mag. Martina Pall

[1] Monceau, du Duhamel: Die Schlosserkunst, Leipzig 1769, Seite 332 f. Er übernimmt die Abhandlung von Réaumur von Anfang des 18. Jahrhunderts.

[2] Vgl. Anm. 1.

[3] Vgl. Anm. 1.

[4] Pall: „Schlüssel und Schloss“, Graz 2012, Seite 131 ff.