Objekt des Monats

Objekt des Monats Juli 2017

Minnekästchen – Liebeskästchen

Inv.Nr.:  6690

Maße:  19,8 x 12,5 x 9,3 cm

In diesem Monat möchten wir Ihnen ein ganz besonderes Holzkästchen aus dem 14./15. Jahrhundert vorstellen. Bekannt unter dem Namen „Minnekästchen“ wurde es aus Lindenholz geschnitzt. Zu sehen sind Reste von roter und schwarzer Bemalung.  Am Deckel ist ein züngelnder Löwe mit flatterndem Seidenschal um den Nacken mit einer Burg im Hintergrund zu sehen. An der Vorderseite sind zwei  liegende Einhörner und an der Hinterseite sind zwei springende Steinböcke zu sehen. An den Seitenteilen sind jeweils ein laufender Hase und ein Bär abgebildet. Der gesamte Bildhintergrund ist im Rautenmuster beschnitzt. An der Unterseite sieht man noch Siegelreste und eine „Marke“. Das Kästchen stammt aus Basel am Oberrhein um 1400.

Geschichte

Heinrich Kohlhaussen schreibt zum Begriff „Minne“: „Das Wort Minne bedeutet im frühen Mittelalter das Sinnen, Denken, das liebende Meinen.“[1]

Kästchen dieser Art waren im 14. und 15. Jahrhundert sehr beliebt. Den Namen erhielten sie durch ihre Bildprogramme, den sogenannten „Minneszenen“. Die Symbolik der dargestellten Pflanzen, Tiere und Objekte hat Heinrich Kohlhaussen  erforscht. In dieser Zeit waren die Damen gewohnt, von ihrem Verehrer so ein Kästchen mit kleinen Liebesgaben geschenkt zu bekommen.  Michael Camille schreibt: „Eine Liebende darf von ihrem Liebsten diese Dinge frei entgegennehmen: eine Korallenkette, ein Haarband oder einen Reif aus Gold oder Silber, eine Brosche, Handschuhe, Ring und Spiegel, einen Gürtel, einen Geldbeutel, ein Gefäß aus Horn, Gewürze, Wachs, Geschirr und Kerzen, sowie ein Kästchen als Andenken an den Liebsten.“ [2] Der Anlass zur Schenkung war natürlich die Zuneigung des Mannes an die Dame.

Material und Form

Die Kästchen waren aus Holz, wie zum Beispiel Linde oder Buche. Auf künstlerische Gestaltung wurde sehr viel Wert gelegt. Man unterscheidet zwei Typen des Aufbaues. Die erste Form war flach und  fußlos, die Urform. Die zweite Form war ein hausartiger Kasten mit einem Walmdach.

Zum Abschluß möchte ich noch anmerken, dass man sich bis heute nicht ganz einig ist, ob diese Kästchen tatsächlich dem Mittelalter zuzuordnen sind. Aufgrund der Bildgestaltung wurden sie dann teilweise dem 19. Jahrhundert zugeordnet, wobei bei der Auswahl des Holzes sehr wohl altes wurmstichiges Holz aus der Zeit des Mittelalters verwendet wurde.

Bilddarstellungen (Allegorien)

Deckel

Im Vordergrund steht der züngelnde Löwe. Das wilde Tier symbolisiert die Stärke des Mannes, wohingegen der Seidenschal seine Bereitschaft zur Zähmung durch die Liebe einer Frau zeigt. Diese Frau lebt – folgt man seiner Pranke – in der Burg, die im Hintergrund abgebildet ist. Weiters  sieht man eine Espe, die vermutlich auf den Gefühlszustand des Herren hinweist. Auch die Vergiss-mein-nicht Blumen zu seinen Füßen zeigen, dass er noch immer auf die Gunst der Frau hofft.

Die Tiere an den anderen Seiten des Kästchens wurden in 3 Kategorien eingeteilt. Als dem Menschen nützliche Tiere wären der Hund, das Pferd und der Falke zu nennen. Zur Kategorie der jagdbaren Tiere zählen der Hirsch, der Hase und der Bär. Zur Unterhaltung dienenden Tiere gehören das Einhorn und der Affe.

Vorderseite

Abgebildet sind zwei liegende, einander zugewandte Einhörner. Das Einhorn ist das Tier der Keuschheit und Reinheit. Angeblich legt es seinen Kopf nur in den Schoß einer Jungfrau.

Seitenteile

Martina Pall schreibt in ihrem Buch Prunkstücke: „Auffällig an diesem Kästchen ist allerdings, dass keine menschlichen Figuren vertreten sind, sondern nur Fabelwesen und jagdbare Tiere. Die Jagd war ein weitverbreitetes  Vergnügen des Adels, unter der die Hirschhatz die edelste Jagdart war. Daneben gab es noch die Sauhatz, später beschied man sich mit der Hasenjagd.“[3] Auf den folgenden Bildern sehen sie einen laufenden Hasen in einer Blumenwiese. Weiters  sieht man einen Bären, der ebenfalls in einer Wiese auf Futtersuche ist. An der Hinterseite sehen Sie zwei aufeinander zuspringende Steinböcke.

Unterseite

An der Unterseite sieht man Siegelreste und eine „Marke“, wobei bisher noch nicht geklärt werden konnte, zu welchem Meister diese Marke gehört.

In der Schell Collection können Sie sich dieses interessante „Liebeskästchen“ und natürlich weitere Minnekästchen ansehen.

Text: Marion Schell

[1]Kohlhaussen, Heinrich: Minnekästchen im Mittelalter. Berlin, 1928, S. 39.

[2] Camille, Michael: Die Kunst der Liebe im Mittelalter. Köln, 2000, S. 51.

[3]Pall, Martina: Prunkstücke – Schlüssel, Schlösser, Kästchen und Beschläge aus der Hanns Schell Collection. Graz, 2005, S. 61.